Viele Köche verderben den Brei!?

Oder:  Wie koche ich ein ordentliches Jagdmenü?

Keine Frage, zu einem schmackhaften, alle Sinne ansprechenden und allen Gästen mundenden Jagdmenüs bedarf es neben vielen unterschiedlichster Zutaten, langer Vorbereitungszeit und einem Schuß Kopfarbeit, Esprit und Kreativität vor allem Mut, Durchhaltevermögen und einer guten Prise Fortune. Zwingend notwendig für ein klassisches Menü ist selbstverständlich auch ein entsprechendes Konzept.  Chefköche, denen es gelingt,  ein harmonisches Zusammenspiel  der einzelnen Gänge zueinander zu kreieren, dürfen sich glücklich schätzen. Um die Ecke im Supermarkt sind all´ die dazu  notwendigen  Zutaten  auch nicht unbedingt zu bekommen.

Im Gegenteil:  Man muß schon ´mal raus in die Natur und sich einiges abverlangen…!

Foto:  Thomas Ix

Bevor man sich also an eine solche kulinarische Herausforderung heranwagt, sollte die Entscheidung hierfür wohl abgewogen sein.

Nun aber zu unserem Menü-Rezept!

Man nehme an Zutaten:

 

…   Eine Anordnung und Abfolge der Menügänge unter der Maxime “… wie der Hirsch ziehen würde!“ (1)

…   Einen letzten schönen Spätsommertag mit noch wohltuend wärmenden Sonnenstrahlen, die ersten leisen

Nachtfröste  haben sich bereits eingeschlichen.

…   Als Vorspeise (Hors d’oeuvre) darf eine die Seele erwärmende Jagdpredigt – Erdung aller Geschöpfe und die

Rückbesinnung der Menschen auf ein Leben im Einklang mit der Natur (2) – mit Jagdsegen für eine „Gute

Jagd“ und die gesunde  Rückkehr von Hund, Pferd, Reiter und Zaungast nicht fehlen.

…   Den Zwischengängen vorbehalten sollten sein, etwa knapp zwei Dutzend wie zufällig in die Landschaft

gestreute, respektable  Hindernisse als hätten sie schon immer dort  gelegen oder seien gerade eben beim

Holzrücken  entstanden, moderate Wassergräben und weitere Abwechslung versprechende Geländehöhen-

unterschiede und  –besonderheiten.

…   Bei dem ersten  der beiden Hauptgerichte darf es an Deftigkeit nicht fehlen:  Eine satte Portion aromatisch-

würziger Wald in unterschiedlichster Ausprägung  und wort-wörtlich fast zum  Anfassen (für die im Jagdtempo

plötzlich in den  Kopf schießende Frage: ´nehme ich den Baum  nun rechts oder links herum!?´ sollte im

eigenen Interesse nicht zu viel Zeit vertan werden…), ordentlich gespickt mit klobigen Sprüngen und filigran

daniederliegenden, in ihrer Gänze bereits abgestorbenen und dennoch noch vereint mit Stamm und Krone an

bessere Zeiten erinnernde  „Sturmopfer“. Wenn Tischmusik (3) dann leise von weit her kommend an den

Gästen vorbeiweht, dann ist für diesen Gang alles beisammen.

…   Nach dieser anstrengenden und Konzentration fordernden schweren Kost  bietet es sich an, diese mit einem

nicht zu süßen Aperitif (beispielsweise einem geschmackvollen Sherry) abzurunden und in Verbindung mit

einer (Achtung:  nur kurzen!) Pause Lust auf Mehr und vor allem Neues zu erzeugen. Hier ist es wichtig, den

„dramaturgischen Spannungsbogen“ zu erhalten und die „auf den Geschmack gekommene“ Jagdgesellschaft

auf den ersten dramaturgischen  Höhepunkt vorzubereiten…

…   Mit dem nun folgenden zweiten Hauptgang kündigt sich einer dieser Höhepunkte an:  Als Kontrast zur

Dichtheit und Enge des vorausgegangenen Gerichtes ist jetzt Leichtigkeit, Luftigkeit und befreites Atmen

angesagt:  Ein kleiner Graben, ein großer vergessener Baumkoloß, ein niedliches Gatter und plötzlich ist sie

da!  Eine atemberaubend schöne, nur von ein paar Eichen- und Erlenhainen aufgelockerte und an Ostpreußen

erinnernde Wiesenlandschaft, so weit das Auge reicht: wirklich! War hier nicht vor nicht einmal dreißig Jahren

Deutschland und Deutschland geteilt und Sperrgebiet?! … Und heute weit und breit nicht einmal ein

Weidezaun in Sicht. Gottseidank:  Es ist wahr!

Foto:  Thomas Ix

…   Und noch ein drittes Hauptgericht  ist ein „Muß“: Nach ein paar hundert Metern, nach Durchqueren eines

Riesengrabens (ehemals Panzersperre) ein schönes Stück (etwa fünfzig Meter breite und grün-satte!) Wiese,

rechts und links eingefaßt von einem Busch- und Baumsaum. Nach vorn und hinten ist kein Ende abzusehen,

man befindet sich in einer leichten Mulde. Nichts Genaues weiß man nicht… Auf der gegenüberliegenden

Seite scheint auch ein solcher Graben zu sein… Unspektakulär. Man sieht, der Tisch wird neu gedeckt:  drei

Bedienstete (4) machen sich auf den Weg  weg von der Tafel und nehmen auch eine Flasche Anis mit??? Egal.

Bis jetzt  sollte es allen Gästen offensichtlich gemundet haben. Tipp: ein Blick in die Gesichter sagt mehr als

tausend Worte!  Und wieder  einmal kommt es jetzt auf einen der externen Köche (5) an, der wie auch bei

Industrieunternehmen  üblich, sein eigenes Personal mitbringen sollte –  das entlastet die eigen Küche. Der

Tisch wird von diesem und seiner Mannschaft für alle Anwesenden fein säuberlich und für alle gut sichtbar

eingedeckt, sodaß auch die üblicherweise entfernter sitzenden Gäste das Procédere  gut sehen können.

Die Tischdiener (6) sind hochkonzentriert und sprungbereit! Es ist angerichtet! Wieso dürfen sie noch nicht

los? Plötzlich von Ferne wieder: die Tischmusik! Welch´ eine Dramaturgie. Jetzt ist es Zeit für ein kleines

Entrée:  Gänsehaut! Und dann: ab geht die Post! Die Tischdiener sind mit lautem  Radau auf und davon

und hetzen die Kuppe hinauf, ihr Koch mit seinem Team mit Mühe dicht dahinter, dann die Gäste. Über der

Kuppe auf einen Schlag: Eine Natur-Rennbahn soweit das Auge reicht und dann auch ein paar Hindernisse in

der  Ferne. Das dritte Hauptgericht auf einer Basis von Sandboden mit einer gemischten Haube aus

spärlichem Gras an Heidekraut : vorzüglich! Dankbaren Beobachtern dieser kulinarischen Völlerei  bietet sich

erneut ein Hochgenuß an gleichermaßen Ästhetik, Dynamik, Kraft und Harmonie mit einem ordentlichen

Schuß  Lebensfreude pur, Carpe diem! Alle stürmen auf breiter Front mutig-entschlossen den Hindernissen

entgegen, vor allem das dritte ist „gut gewürzt“ und erfordert volle Aufmerksamkeit. Aber perfekt

abgeschmeckt entpuppt es sich als leckere Süßspeise für zwischendurch. Dabei lagen hier mal Minen,

Selbstschußanlagen waren installiert und das nannte sich dann ´Todesstreifen´…

Foto:  Thomas Ix

…   Unerbittlich geht das Festmahl  allmählich seinem Ende entgegen.  Da passt es gut, daß noch einmal jeder Gast

die Gelegenheit bekommt,  das Geschehen sozusagen „in der ersten Reihe“  minutenlang  hautnah

mitzuerleben. Dem ´Gästeführer´ (7) der weiter hinten angesiedelten Gäste kommt hierbei eine ganz wichtige

Aufgabe zu:  Dieser sollte sich stilsicher bewegen und ´Etikette´ darf für diesen kein Fremdwort sein.

Sachkundig muß er durch das Menü führen können und mit Hilfen und Erläuterungen seine Gäste bestmöglich

unterstützen. Und als wenn die Regie es so vorbestimmt hätte, folgt sozusagen aus dem Lameng spontan ein

würzig-pikantes Intermezzo als  Zwischenmahlzeit  auf die betörende Süße des letzten Ganges: eine Handvoll

Tischdiener macht sich während der Arbeit in der Fläche sprichwörtlich und plötzlich „aus dem Staub“, ein

erfahrener Mitarbeiter aus dem Team unseres besagten Kochs versucht, die Ausgebüchsten zurückzuholen.

Vergeblich! Der  Koch beobachtet stattdessen, wie alle Gäste auch, mit Interesse aber in gelassen-souveräner

Manier das Geschehen und beordert schließlich seinen Vize zurück. Und siehe da: nach einer kleinen, ganz und

gar nicht langweiligen Weile spuren alle Ausreißer wieder wie sie sollen. Perfekt!

…   Tja, was bleibt als Nachspeise oder Dessert für ein solch üppiges Gastmahl? Es sollte nicht zu leichtgewichtig

sein, schon allein deswegen, um die Balance zu wahren. Also wird zum Abschluß nochmals ordentlich

aufgetischt:   Ein – wenn auch kleines  – tiefgrünes, feucht-kühles  Erlenwäldchen (so haben sich die Grimm’s

vielleicht Rotkäppchens Wald vorgestellt), teils von einem klaren Bachlauf eingerahmt, wird als sehr seltene

Kost intensiv  genossen, bevor es schon wieder hinter der Jagdgesellschaft liegt und mit einem Sprung über

kreativ angerichtete Zitterpappel  zügig verlassen wird.

Foto:  Thomas Ix

…   Der definitive Schluß- und Höhepunkt (die Schlußpraline…) wird nach einer ordentlichen Galoppade über

besagtes unglaublich schöne Wiesenland kredenzt:  Mit einer alten, fast ehrwürdig wirkenden, bereits vor

Jahren gefällten Birke, eingerahmt durch einen Traum von Eichenhain,  verabschieden sich Wald und Flur von

der beglückten Jagdgesellschaft. Halali! Halali! Halali! …Und wieder erklingt berauschende Tischmusik (8). Die

vom Gastgeber zu beauftragenden ´Lumpensammler´ (9) konstatieren:  Ausnahmslos alle vier- und zwei-

beinigen  Gäste und Gehilfen wohlbehalten vom Marathon der Emotionen zurück. Schön. Die Gastgeberin

und ihre Stellvertreterin (10) können  ihr Glück kaum fassen und liegen sich in den Armen. Bei allen Geladenen

und  Funktionern liegen die Gefühle „blank“.

…   Der Rest ist (fast) Routine:  Eichenblätter direkt vom Zweig und beeindruckend große Möhren  (für wen auch

immer) als kleine Wegzehrung für den Nachhauseweg.  Wie immer großes Gesindefressen mit Getöse. Kein

großes, auch kein kleines Feuer: Noch Waldbrandgefahr! Nun doch: Sekt oder Selters! Und dann:  Abmarsch

zum Essenfassen. Jagdkritik unerhört……….beeindruckend und dann nimmt der Kritiker (11) zu allem Überdruß

die Gastgeberin auch noch auf den Arm………unglaublich……schön. Alle glücklich. Alles im Kasten (12). Ende.

…   Noch Fragen? Ach ja, die Köche und der Brei! Klar, geht doch – ist bewiesen!

  • Zitat Martin Bergmann, passionierter Jagreiter, -veranstalter und Parforcehornbläser sowie anerkannter, pfiffig-kluger „Jagdberater“;
  • Stefanie Arnheim, Pastorin der Gemeinde Suhlendorf;
  • Parforcehornbläserensemble ,Bien aller´ aus Verden;
  • Schleppenleger Michael Stutzbach mit seinen Begleitern Anna Magdalena (Lena) Biehler und Karsten Alt;
  • Master der Meute Maximilian Sponagel mit seinen Pikören Simone Klatt, Ida Eggers und Hans Dieter Rohrig;
  • 9 Koppeln englische Foxhounds der Niedersachsenmeute;
  • Feldführer 2. Feld: Martin Bergmann;
  • Jagdhornbläsergruppe Hegering Bad Bodenteich;
  • Schließende: Anja Fehlhaber und Madlaine Jones;
  • Jagdherrin Fiona Alt und Stellvertreterin Antje-Ellen Lamcken;
  • Jagdkritik Eugen Klein;
  • Fotografie Thomas Ix;

Foto:  Thomas Ix

Man nehme an Fachpersonal:

…   9 Koppeln superschnelle, energiegeladene englische Foxhounds.

…   Eine Mischung ausnahmslos gut vorbereiteter Pferde aus diversen Pony- und Kleinpferderassen, Warmblütern,

Trabern, englischen und arabischen Vollblütern bis hin zum irischen Riesenhunter.

…   Etwa dreieinhalbdutzend jagdbegeisterte, hungrige und erwartungsvolle Jagdreiter von klein bis groß,

mindestens ein Reiter im XXXL-Format sollte dabei nicht fehlen (ersetzt das Salz in der Suppe!).

…   Eine gute Handvoll Equipage-Reiter mit einer ebenfalls guten Mischung aus aufstrebenden Jung-Pikören

voller Leidenschaft und „alten“, immer noch zur Begeisterung fähigen Huntsmen und –women (!).

…   Eine ganze Portion qualitätvoller „Noch“-Jungmaster mit bereits breit gefächertem Erfahrungsschatz,

reiterlichem Ausnahmetalent, Überblick und sympathisch-verbindlicher Ausstrahlung.

…   Freunde, die einfach da sind, wenn man sie braucht.

…   Familie, auf die – wenn es darauf ankommt – ohne Wenn und Aber Verlass ist.

Man nehme an Gästen:

…   Solche, die tiefe innere Zweikämpfe einige Wochen, Tage oder Stunden vor dem großen Menü in Kauf

nehmen, um dann doch die Entscheidung zu treffen, sich auf diesen Gastgeber einzulassen, von dem man

nicht wirklich weiß, was dieser kredenzen wird: Sekt oder Selters!?

…   Jene, die eine erwartungsfrohe Anreise in´s „Niemandsland“ mit der bangen oder verzweifelten Frage:

„Komme ich wirklich an und wenn ja, wann und bin ich dann dort richtig?“ mit Herz und Mut auf sich nehmen.

…   Diejenigen, welche von der Einfachheit des Seins überzeugt und befähigt sind, ihren Emotionen zu vertrauen.

…   Menschen, die  zur Dankbarkeit fähig sind und wissen, daß niemand ohne Fehl und Tadel ist.

…   Jemanden, der selbstlos und mit vollem Risiko einfach kommt, um eine gute Sache zu unterstützen.

Foto:  Thomas Ix

Nachwort

zum (etwas anderen) Jagdbericht der Schmölauer Grenzlandjagd am Samstag, 20.10.2018.

Allen Helfern, Ratgebern, Unterstützern, die ausnahmslos mit Herzblut mitgewirkt haben  und den teilnehmenden

Freunden und Gästen sagen wir auf diesem Weg  „Herzlichen Dank und Vergelt‘s Gott!“.

Es war eine wunderschöne, prächtige Jagd, zu deren Gelingen jeder Einzelne beigetragen hat. Ein für alle unver-gessliches Erlebnis. Wir freuen uns, den einen oder anderen bald, wo und wann auch immer, wiederzusehen.

Bis dahin, bleibt´s gesund…und vergesst Pferd und Hunde nicht!

Fiona und Karsten Alt